 Am 
          6. April fand im Institut Pro Arte eine Meisterklasse unter der Teilnahme 
          der bekannten amerikanischen Künstlerin Shirin Neshat, dem Regisseur 
          Shodja Azari, Studenten des Instituts Pro Arte und Petersburger Künstlern 
          sowie Kunstkritikern statt.
Am 
          6. April fand im Institut Pro Arte eine Meisterklasse unter der Teilnahme 
          der bekannten amerikanischen Künstlerin Shirin Neshat, dem Regisseur 
          Shodja Azari, Studenten des Instituts Pro Arte und Petersburger Künstlern 
          sowie Kunstkritikern statt.
          Die Meisterklasse dauerte zwei Stunden und bestand in der Vorführung 
          von Petersburger Filmen und ihrer anschließenden Diskussion. Den Organisatoren 
          war es nicht möglich, so sehr sie sich auch bemühten, sämtliche Filme 
          zu zeigen: Die angesetzte Zeit reichte nur für jene Filme der Studenten 
          des Institutes aus (wie ich es verstehe, auch in diesem Fall bei weitem 
          nicht für alle), und letztendlich blieb nur noch Zeit für einen Film 
          des Petersburger Video-Künstlers Dmitrij Vilenskij.
          Aus den sieben gezeigten Filmen der Pro-Arte-Studenten waren zwei von 
          besonderem Interesse. Der absolute Hit war der einminütige Streifen 
          Andrej Ustinovs "Narziss". Eine Beschreibung dieses Films ist recht 
          einfach, denn er besteht ausschließlich aus einer statischen Aufnahme 
          einer Toilettenschüssel. Den größten Teil des Films (nach Angaben des 
          Autors genau zwei Drittel) nimmt der Prozess des Urinierens ein und 
          anschließend, nach dem Verschwinden entstandener Bläschen und dem Eintreten 
          der Stille, erscheint im Spiegel des Urins das lächelnde Gesicht des 
          Autors, das, in sein eigenes Antlitz schauend, "I love you" sagt.
           Ustinov selbst, der im Moment seines Triumphes abwesend war und erst 
          später erschien (daher war die die Meisterklasse leitende Svetlana Ostrova 
          gezwungen, das Video nochmals zu zeigen), erläuterte, dass er sowohl 
          mittels des Titels als auch der Arbeit selbst habe zeigen wollen, dass 
          als Medienkünstler der gilt, der als Material für seine Arbeiten nur 
          sich selbst und seinen Körper verwendet.
 
          Ustinov selbst, der im Moment seines Triumphes abwesend war und erst 
          später erschien (daher war die die Meisterklasse leitende Svetlana Ostrova 
          gezwungen, das Video nochmals zu zeigen), erläuterte, dass er sowohl 
          mittels des Titels als auch der Arbeit selbst habe zeigen wollen, dass 
          als Medienkünstler der gilt, der als Material für seine Arbeiten nur 
          sich selbst und seinen Körper verwendet.
          Ein weiterer beim Publikum erfolgreicher Film war "Star in my eyes" 
          Maksim Kaschirskijs, ein Klangpfad, für den jene Geräusche verwendet 
          wurden, die beim Hochfahren des Betriebssystems Windows entstehen. Beim 
          ersten Ton, der den Beginn des Prozesses anzeigt, öffnet ein Mann mit 
          Brille auf einem halbdunklen Bildschirmhintergrund die Augen. Beim zweiten 
          Ton – der Musik Brian Enos, die darüber Auskunft gibt, dass das System 
          bereits hochgefahren ist – geht in dem Raum, in dem sich der Mann befindet, 
          das Licht an, und er "erwacht". Der Kommentar des Autors war weniger 
          umfangreich als der Ustinovs: Kaschirskij beschränkte sich auf die Bemerkung, 
          dass er versuchte, in seiner Arbeit seine innere Welt zu visualisieren, 
          was natürlich spontanes Gelächter im Publikum hervorrief.
          A propos Humor: Die Meisterklasse erinnerte kaum an ein offizielles 
          Ereignis unter der Teilnahme von Stars der internationalen Kunstszene. 
          Die Filmvorführungen wechselten sich mit recht ungezwungenen Kommentaren 
          ab, Kommentare mit spontanen Performances, die aus leichtfertig hingeworfenen 
          Sätzen entstanden. Kaschirskij entgegnete auf die Frage Shirin Neshats, 
          ob er noch andere Arbeiten habe, dass es ein Projekt gebe mit dem Titel 
          "in-progress": Ein Student von Pro Arte sammelt Aussagen bekannter Künstler 
          über die Kälte und schickt sich an, diese im Sommer im Museum der Arktis 
          und Antarktis auszustellen. Kaschirskij verschwendete natürlich keine 
          Zeit, um auch einen Kommentar Neshats und ein Autogramm zu erhalten, 
          worüber diese sich, vornehm gesagt, sehr wunderte. Es vergingen nur 
          wenige Minuten, bis sich der amerikanische Star wiederholt von den Petersburger 
          Künstlerinnen Gljuklja und Tsaplja (Natalja Perschina-Jakimanskaja und 
          Olga Egorova) in höchste Verwirrung versetzt fühlte. Letztere, gehüllt 
          in weiße Overalls, knieten vor der verständnislosen Video-Künstlerin 
          nieder und begannen, ihr Gesicht zu berühren, wahrscheinlich in der 
          Hoffnung einer Erscheinung höherer Kräfte. Anfangs vermutete Neshat 
          wohl einen bösen Streich, aber Gljuklja und Tsaplja hatten nicht vor, 
          sie nach der Art Jurij Lejdermans mit Seilen zu verschnüren (sei es, 
          weil dies nicht zu ihren Plänen passte, oder weil es einfach keine Seile 
          gab), so dass diese Einlage erfolgreich mit den Worten Neshats: "Who 
          is this? Who are these girls?" endete. Als man ihr antwortete, diese 
          seien Petersburger Künstlerinnen und Neshat verstand, dass dies alles 
          nur ihr zu Ehren geschah, beruhigte sie sich.
          Im übrigen verlief die Diskussion eher ruhig, wenn man von der heftig 
          geführten Diskussion im Anschluss an den Streifen "Eine Mark" Dmitrij 
          Vilenskijs absieht. Das Video, das Vilenskij im Dezember 2001 in Deutschland 
          aufgenommen hat (kurz vor der Einführung des Euro), zeigt Aufnahmen 
          auf einem Flohmarkt in einer deutschen Stadt. Unendlich wiederholen 
          sich die Schreie der türkischen Verkäufer "eine Mark". Der Film selbst 
          dauert fünf Minuten, aber er würde sicherlich nicht leiden, wenn man 
          ihn kürzen oder in einer wesentlich längeren Variante zeigen würde: 
          Der Streifen schickt sich offensichtlich nicht an, dem Zuschauer etwas 
          mitzuteilen. Das Video rief eine stark negative Reaktion seitens Neshats 
          und Azaris hervor, so dass man im Prinzip prognostizieren könnte: Die 
          Filme Neshats und Azaris setzen das Vorhandensein einer sinnvollen Vollendung 
          voraus. Die negative Reaktion der Amerikaner rief ihrerseits eine lautstarke 
          und entrüstete Reaktion seitens der Petersburger Künstler (in erster 
          Linie Olga Egorovas, der Vertreterin des abwesenden Dmitrij Vilenskijs) 
          hervor. Es entspann sich ein lebhaftes Gesprächsduell, dessen einziges 
          Resultat es war, dass anschließend keine Zeit mehr für die Vorführung 
          weiterer Filme blieb. Letztendlich einigten sich die teilnehmenden Parteien 
          darauf, nicht weiter zu streiten und die Filme unterschiedlichen Typen 
          der Videokunst zuzuordnen – dem symbolischen und dem endlosen (der keine 
          sinnhafte Vollendung erfordert) und schafften es sogar, noch einen weiteren 
          Film der Studentin des Institutes Pro Arte Anna Kolossova anzusehen. 
          Anschließend begab sich das Publikum nach einer kurzen Pause in den 
          benachbarten Saal, um der Vorführung eines Filmes Shodja Azaris nach 
          einer Erzählung von Franz Kafka beizuwohnen.
        Übersetzt von Sandra Frimmel(Berlin)